Auch wenn ich eine sehr begeistere Zeitungsleserin bin, tue ich mich oft schwer, mich auf Bücher einzulassen. Immer mal wieder werde ich dann dafür belächelt, wie lange das ein oder andere Buch auf meinem Nachttisch weilt und regelmäßig abgestaubt werden muss. Ich muss zugeben: All das liegt nicht etwa an einer mangelnden Verfügbarkeit mitreißender Bücher, sondern vielmehr an meiner Hemmung, mich darauf einzulassen. Gelingt mir das dann doch, kann sich ein typisches Lesestoff-Zeit-Muster einstellen: Zwei Drittel des Buches werden in 5% der Gesamtlesezeit gelesen.
So lief es zuletzt auch bei Michelle Obamas Autobiografie »Becoming«, die nun zu meinem ersten book-related blog post führt.
Michelle Obamas Geschichte ist very American – dafür muss man wahrscheinlich selbst ein gewisse Begeisterung haben und/oder drüber hinwegsehen können, sonst erscheinen manche Details doch etwas skurril. Sie ermutigt eindringlich, sich der eigenen Geschichte bewusst zu werden, wie sie im Kern unserer Identität steht, ihre Einzigartigkeit wertzuschätzen und das Positive weiterzugeben. Zugegebenermaßen fällt das leichter, wenn sich Geschichten auf irgendeine Weise zum Guten gewendet haben. Michelle Obamas Story ist eng verknüpft mit der ihres Landes und seiner (Un-)Fähigkeit, den Rassismus zu überwinden – und damit gerade im Kontext der aktuellen Ereignisse ein sehr wertvoller Beitrag.
Neben der wiederkehrenden Suche danach, die zu sein, die sie ist (und herauszufinden, wer das eigentlich ist), erzählt Michelle mit Barack Obama eine gemeinsame berührende Storyline der Hoffnung. Sie zu lesen schmerzt zuweilen, da die Ernüchterung über den Fortgang der amerikanischen Geschichte kaum zu überwinden ist. Es drängt sich der Gedanke auf, gerade jetzt brauche es Change, jemanden wie Obama, jemanden der liest und etwas von Geschichte versteht. Aber die Geschichte ist bereits geschrieben: dieser Change schon vorüber.
Ein Amerika, wie Michelle Obama es beschreibt, mit dem Präsidenten als Leader of the Free World, scheint völlig aus der Realität gefallen.
Näher läge mir persönlich übrigens eine Leaderin of the Free World, zum Beispiel die mit der blonden, betonierten Drei-Wetter-Taft-Frisur aus Brüssel. Vielleicht ist das meine audacious hope – dass sich die Alte Welt erneuern kann und die Europäischen Sterne selbstbewusst über den Atlantik strahlen können (aber auch hier ist die Ernüchterung nicht zu überwinden, wenn sich vermeintlich europäische Kommunen zu gay-free-zones erklären – von vielen anderen Problem mal abgesehen).

Michelle Obama arbeitete in Chicago für ein interessantes Programm, für das es auch hier definitiv Bedarf gäbe – Public Allies. Es bietet jungen Menschen die Möglichkeit, ein 10-monatiges bezahltes Praktikum in einer lokalen Non-Profit-Organisation zu machen, gepaart mit einem intensiven Führungskräftetraining, in der Hoffnung, dass einige dieser Hoffnungsträger in den Non-Profits oder dem lokalen öffentlichen Dienst hängen bleiben und diese mit Diversität und Führungskompetenz bereichern.
Mein Berufsleben gab mir bisher vergleichsweise viele Eindrücke, wie sehr Führungskompetenz und Vielfalt fehlen kann bzw. was es ausmacht, wenn sie da ist. Sehr effektvoll.
Die Obamas kommen in der Geschichte übrigens ziemlich gut weg. Michelles strahlendes und selbstbewusstes Lächeln vom Cover scheint durch viele der Zeilen durch, auch wenn sie über Zweifel und Schwächen schreibt. Außerdem habe ich den Eindruck gewonnen, dass Barack ein wahnsinnig intelligenter Mensch sein muss und mir gleich sein Buch The Audacity of Hope bestellt. Ich hoffe, das war kein Marketing-Trick.