Pace e bene – Cammino #18

Nach unserer Ankunft in Assisi verbringen wir noch ganze zwei Tage hier, bevor es wieder zurück nach Deutschland geht. Es sind zwei Tage mit herzlichen Begegnungen und vielen Kirchenbesuchen, von denen manche inspirieren, wir Manches lernen, aber auch einige Fragezeichen zurückbleiben.

Wir nehmen uns einen Vormittag Zeit, um zum Kloster San Damiano zu laufen, das nicht weit unterhalb der Stadtmauer liegt. Es war ein zentraler Rückzugsort für Francesco sowie Gründungsort des Clarissenordens durch Clara von Assisi. Sie war die erste Frau, die eine eigene Ordensregel vom Papst anerkannt bekam.

San Damiano ist weitgehend ursprünglich, d.h. in seiner Einfachheit, erhalten. Es ist immer wieder beeindruckend, wieviel mehr Energie solch ein Ort der Einfachheit versprüht, im Gegensatz zu den pracht-und prunkvollen Bauten und Verzierungen, die man sonst noch in der Stadt findet. Gleichzeitig bleibt es auch ein wenig unvorstellbar, wie das Leben zu Beginn des 13. Jahrhunderts eigentlich gewesen sein muss.

Am Nachmittag nehmen wir an einer Führung durch die Basilika di San Francesco mit Bruder Thomas teil. Er erklärt u. A., wie es sich mit der Einfachheit Francescos und den vielen prachtvollen Kirchen Assisis verhält – sie wurden nach seinem Tod erbaut und deuten auf die Bedeutung und Tragweite, die er zu dieser Zeit hatte, hin. Doch leider scheint man ihn nicht in allem immer vollends verstanden zu haben. Und so hat sich eines seit Francescos Zeiten nicht geändert: er sah die Kirche als eine Baustelle, die es zu renovieren galt.

Basilica di San Francesco

Nach der Führung statten wir dem Pilgerbüro einen Besuch ab und erhalten unseren letzten Stempel für diese Reise, sowie unser Pilger-Zertifikat. Früher dienten Pilgerreisen ja auch der öffentlichen Buße, ich habe schon überlegt, wo ich das Zertifikat zuhause einreichen könnte.

Doch wir lernen in diesen Tagen auch, dass es spezielle Ablassregeln gibt. Francesco hatte mit dem Papst einen vollständigen Ablass beim Besuch der Portiuncula ausgehandelt, später war der Ablass dann in allen franziskanischen Kirchen zu haben. Und dann schickte Gott wahrscheinlich Luther in die Welt…

Portiuncula in Santa Maria degli Angeli

Die Portiuncula besuchen wir auch, es bleibt mir als ein völlig unwirkliches Arrangement zweier gegensätzlicher Bauwerke in Erinnerung. Die Portiuncula ist eine kleine Kapelle, früher im Wald unterhalb von Assisi gelegen, der Gründungsort des Franziskanerordens, ein sehr einfaches Haus aus Stein mit einer mystischen Ausstrahlung. Francesco ist hier verstorben. Den Wald drumrum kann man sich heute nur noch schwer vorstellen, denn im 16. Jahrhundert wurde eine riesige Basilika, Santa Maria degli Angeli, über die Kapelle gebaut, die sie im wahrsten Sinne verschluckt – und mit ihr die Demut, die Simplicity und den freien Blick nach vorne. Für mich bleibt letztlich das Surreale dieses Arrangements.

Basilica Santa Maria degli Angeli

In der Nähe unseres B’n’Bs (Alter Ego, sehr große Empfehlung!) befindet sich die Chiesa Santa Chiara. Hier besuchen wir eine Vesper, die in einem etwas eigentümlichen Setting stattfindet. Wir sitzen in der Kapelle, in der auch das Kreuz von San Damiano hängt, vor dem Francesco von Christus den Auftrag erhalten haben soll, sich auf die Baustelle zu begeben, um die Kirche zu renovieren. Es ist mir in der Version von frere Eric, in der es in Taize steht, seit vielen Jahren sehr vertraut und es ist berührend, das »Original« hier zu sehen. Von den betenden Schwestern sieht man allerdings nichts, sie singen und sprechen die Vesper in einem Nebenraum. Zu Beginn des Gebets schiebt sich ein Eisentor elektrisch zur Seite, durch ein verbleibendes Eisengitter kann man einen kleine Blick in die Nebenkapelle bekommen. Vielleicht ist es ein schwieriges Gleichgewicht zwischen Gebet und Tourismus, das hier gehalten werden muss. Doch der Gesang der Frauen holt mich schließlich wieder ab.

Santa Chiara (mit Reliquien der hl. Clara von Assisi)

A propos Frauen. In Assisi laufen ja in großer Dichte Schwestern und Brüder durch die Gassen. Ich komme immer wieder nur schwer darüber hinweg, dass nahezu alle Schwestern (zumindest die, die als solche erkennbar sind) einen Schleier tragen und frage mich, wozu das gut sein soll. Vielleicht, um den Priester nicht zu verwirren, den sie sich immer zu Messe holen müssen? Da ist jedenfalls noch viel Luft nach oben.

Der Trubel der Stadt – bei der Überlegung, ob mir all die Menschen nach unserer doch recht einsamen Wanderung nicht ein bisschen viel sind, komme ich wieder zur Führung in der Basilika San Francesco. Dort wird ein zentraler Zugang zur franziskanischen Spiritualität erklärt: nämlich die Spur zu dem Verborgenen, zu dem unsichtbaren Gott, im Sichtbaren zu suchen. In der gesamten Schöpfung, der Natur, den Tieren und den Menschen, in sich selbst, wunderbar geschaffen.

Der Abschluss unserer Kirchenbesichtigungen bildet die kleine Kirche San Giacomo de Muro Rupto. Ein Empfehlung von Alois, eigentlich für ein ruhiges Ankommen in Assisi an der Porta S. Giacomo. Giacomo – der Apostel Jakobus – ist der Patron der Pilger, das passt ja ganz gut. Um in die Kirche zu kommen, muss man bei den Schwestern läuten, wer sich da mit einem kleinen Brocken Italienisch traut, kommt an einen wunderbaren stillen Ort, ganz einfach gehalten, an dem der Trubel der Stadt weit entfernt scheint.

Irgendwann reicht es uns dann mit den Kirchen und der Einkehr dann aber auch, Cappuccino, Spritz und die Zeit mit anderen Pilgern sind auch wichtig. In Assisi treffen wir letztlich alle wieder, die uns auf diesem Pilgerweg mit einer besonderen Begegnung in Erinnerung bleiben, viele direkt am Ankunftstag. Auf der Piazza de Commune treffen wir kurz vor ihrer Abreise noch Jane und Russ, den Autor aus den USA. Damit sind unsere Abschiede von den Menschen komplett, wofür ich sehr dankbar bin. Wir tauschen noch unsere Pläne für weitere Pilgerungen aus, da sagt Jane einen wahren Satz: You have done this, you can achieve anything.

Wir würden sehr gerne nochmal nach Assisi kommen, vielleicht vom Süden, zu Fuß aus Rom. Mal schauen, was die Zukunft uns bringt. Vieles scheint zu dieser Zeit so ungewiss. Die Markierungen des Camminos sind auf weiten Strecken in gelb-blau markiert, die Farben des Camminos, an Bäumen, Wänden und Schildern. In diesen Tagen wurden sie für mich auch zu einem ständigen Ruf nach Frieden, immer wieder neben den Weg gemalt.

In diesem Sinne: Pace e bene!

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