Start | Ziel | km |
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A Guarda | Baiona | 35 |
Gestern Abend habe ich in einem nicht ganz so leichten Moment den Entschluss gefasst, heute nicht weiterzulaufen, sondern die wieder recht lange Etappe nach Baiona mit dem Bus zu fahren. Dass das grundsätzlich möglich ist, hat mich eigentlich immer motiviert doch zu laufen, aber das Pilgern stand für mich auch immer unter dem Motto Soweit die Füße tragen – sie haben mich bis nach Spanien getragen, jetzt brauchen sie eine Pause.
Ich möchte diesen Weg mit Freude und Liebe gehen. Das kann bedeuten, mal ein wenig über seine Grenzen hinaus herausgefordert zu werden, es heißt aber auch, die Grenzen respektvoll zu behandeln und aus dem Camino keine lebensfeindliche Unternehmung zu machen. Ich muss auf diesem Weg nichts beweisen, nicht in meinem Credencial, nicht mir und nicht euch. Aber wenn ich es schaffe, gut für mich zu sorgen, habe ich sehr viel erreicht.
Christiane entscheidet sich tapfer für den Fußweg nach Baiona, nochmal knapp über 30 Kilometer. Ich checke etwas später aus dem Hotel aus und treffe an der Rezeption eine Holländerin mit Rucksack, die sich ebensfall gerade nach dem Bus nach Norden erkundigt. Ich gehe nochmal zur Kirche, für einen Stempel und einen Moment, in dem ich mich mit meiner Entscheidung sehr aufgehoben fühle, dann machen Cindy und ich uns gemeinsam auf dem Weg zum Bus. Wir teilen eine tiefe Freude über diesen Luxus und betrinken das erstmal mit einem Kaffee.
Die Busfahrt dauert durch den strömenden Regen eine halbe Stunde und es ist ein sehr seltsames Gefühl, dass Christiane irgendwo alleine da draußen ist. Ich hoffe sehr, dass es ihr gut geht.

Cindy fragt mich nach meiner Fußproblematik. Sie sei Ärztin und stimmt Christianes und meiner Diagnose einer Wanderkrätze im fortgeschrittenen Stadium zu – nicht dramatisch, für Pilger aber fies. Pause ist da eine gute Behandlung. Für das nächste Mal wären durchaus Kompressionsstrümpfe angesagt, vielleicht gibt es die ja auch in sexy. Nach einer guten halben Stunde im Bus kommen wir in Baiona an, wo sich unsere Wege wieder trennen, Cindy muss noch weiter.
Kurz bevor das Postamt vor dem Wochenende schließt, erwische ich für meine Regen- und Kältekleidung noch das letzte Ticket im Paket nach Deutschland. 1,5 kg fahren für bescheidene 30 Euro nach Hause.
Den Rest des Tages bummle ich zufrieden und kontemplativ durch Baiona und freue mich auf den Moment, wenn ich Christiane später auf dem Weg entdecke. Ich bin sehr dankbar für diesen Pausentag und hoffe, dass ich damit gut auf den weiteren Weg gehen kann.

Da wir heute getrennte Wege gegangen sind folgt hier ein Gastbeitrag von Christiane:
Statt von Christina werde ich heute von Nieselregen begleitet. Auch Schnecken queren häufig meinen Weg. Fast komplett alleine wandere ich die gut 35 Kilometer bis Baiona.

Die erstem 25 Kilometer laufen prima. Der Weg ist abwechslungsreich, zwischen den Dünen, durch kleine Ortschaften, bewirtschaftete Felder, Weiden, akutell leerstehende Feriendörfer und zwischendurch immer wieder auf der gelben Linie, einem Rad- und Fußweg neben der Landstraße. Ganz für mich genieße ich den Moment, bin tief beeindruckt von der Kraft der Natur, setze einen Schritt vor den anderen und bin erfüllt von großer Dankbarkeit für das Leben mit all seiner Fülle, die uns geschenkt ist.

Meine Mittagspause verbringe ich in einer kleinen Kapelle und fühle mich danach so aufgeladen, dass ich an den folgenden Tapas-Bars einfach vorbeimarschiere. Der Hunger kommt dann trotzdem, doch da ist leider keine Bar mehr in Sicht. Zudem wird der Regen stärker, und so werden Powerriegel und Obst unter dem dürftigen Schutz einiger Bäumen eingenommen.

Meine Kräfte verlassen mich so langsam, als der Weg ein letztes Mal die Landstraße kreuzt und es steil den Berg hinauf geht. Oben angekommen, fühlen sich die letzten fünf Kilometer durch die Bergdörfer länger an als der bisherige Streckenverlauf. In Baiona werde ich von Christina herzlich kommen geheißen. Ich freue mich sehr, sie zu sehen und mir ihr das Erleben des Tages teilen zu können.
