Start | Ziel | km |
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Redondela/Soutoxuste | Pontevedra | 18 |
In unserem Pilger-Berghäuschen machen wir uns heute ein leckeres Frühstück und laufen dann gemeinsam mit Stefan und Christiane, die ebenfalls in der Unterkunft geschlafen haben, relativ beschwingt los. Wir müssen zum Glück nicht mehr zur Küste runter, sondern gehen direkt weiter an der Straße in den nächsten Ort. Hier sind wir wahrscheinlich das erste Mal seit gestern Nachmittag in Redondela wieder auf dem offiziell markierten Weg – die Pilger*innen kommen hier plötzlich aus allen Löchern gekrochen, der Weg ist sehr voll und auch wenn wir selbst ja auch dazu beitragen, fühlt sich das etwas befremdlich an.

Der Weg führt weite Strecken auf Pfaden durch den Wald und an einem Bach entlang. Das ist grundsätzlich sehr schön und die mit 18 Kilometern recht kurze Strecke nach Pontevedra scheint überschaubar und gut machbar. Im Wald wird es allerdings auch etwas kurios, da ständig Pilger-Versorgungsstationen auftauchen, bei denen man zu nicht mehr ganz so günstigen Preisen gekühlte Getränke und Souvenirs erwerben kann, inklusive Stempel.

Es scheint, als kommt der Camino damit zu einer seiner nicht so romantisch verklärten Traditionen, nämlich seiner grundsätzlichen Funktion als eine Art Wirtschaftsweg, die vorne bis hinten vermarktet wird – wahrscheinlich schon seit dem Mittelalter. Das können wir jetzt schlecht kritisieren, da wir ja selbst die galizische Wirtschaft mit ankurbeln. An den Peregrino-Stops (“letzte Rast vor Pontevedra”) laufen wir aber entschieden vorbei.

Seit wir uns im 100-Kilometer-Radius von Santiago befinden und in Redondela der Küstenweg und der Zentralweg zusammengefunden haben, sind Pilger*innen aller Fitnesslevels auf dem Weg. Auch die Motive zum Laufen scheinen sehr unterschiedlich zu sein, aber das hatten wir aus unseren Gesprächen ja auch schon herausgehört (“Die Azoren waren zu teuer, deshalb laufen wir jetzt hier”).
Da stellen wir uns auch wieder die Frage, was das Pilgern für uns eigentlich bedeutet. Unterwegs sein, offen für alles was kommt (oder auf dem Weg dahin). Unterwegs sein, zu einem spirituellen Ort, aber auch zu sich selbst. Und: Reduktion. Alles, was man/frau braucht, einpacken und immer bei sich haben, auswählen, was wichtig ist und was vielleicht auch nicht. Ich habe übrigens meine kleine Bluetooth Tastatur zuhause gelassen.

Beim Start heute Morgen hatte ich noch das Gefühl, meine Füße haben sich langsam mit ihrem Schicksal abgefunden. Sie erfreuten sich einer ziemlich natürlichen Farbgebung und waren auch sonst vergleichsweise zufrieden. Während des Laufens am Bach hat sich die Situation wieder etwas gedreht. Es ist wieder ziemlich warm und so beschließen wir, nochmal eine kleine Pause mit Kneippmoment im eiskalten Bach einzulegen. Ein Traum für die Füße, und so schaffe ich es einigermaßen bis in die Stadt. Für morgen hoffe ich ein weiteres Mal auf Besserung, um das Laufen weiter so genießen zu können wie die letzten zwei Etappen.

Wir kommen erstmals an einem Zielort ohne eine zuvor getätigte Zimmerreservierung an. Das hat mich ein bisschen Mut gekostet, aber in dieser Pilgerhauptstadt sollte das wirklich kein Problem sein. Wir haben zumindest ein Hotel im Kopf, in dem wir schließlich ein sehr komfortabeles Zimmer beziehen. Zuvor besuchen wir noch die direkt am Weg gelegene Kirche der jungfräulichen Pilgerin und lassen unseren Pass stempeln. Die Kirche hat die Form einer Jakobsmuschel und ist eine der bedeutensten Pilgerkirchen auf dem Camino. Es tut gut, für einen Moment hier anzukommen.
Auch sonst ist Pontevedra eine sehr schöne, angenehme Stadt, in der wir es uns mit ein paar Drinks und gutem Essen im Rahmen des möglichen sehr gut gehen lassen.

Trotz der kurzen Etappe sind wir heute ganz schön platt. Morgen geht es nochmal auf einen Umweg über die Küste, anstatt direkt nördlich nach Santiago zu laufen, die sogenannte Variante Espiritual. Vielleicht wird es dort ja wieder ruhiger.
Liebe Schrati, bislang bin ich ein täglicher stiller Leser Deines PilgerBlogs. Heute begann ich plötzlich, für Deine Füße zu beten! Das fand ich so schön (und auch ein Stück weit witzig ;-), dass ich es Dir hier mitteilen wollte.
Bleibt behütet (und gut befußt), Ines
Liebe Ines, das ist großartig! Und es war auf jeden Fall sehr effektiv 😁 lieben Dank und viele Grüße!