Das Radler-Wunder – Romedio #4

Für unsere Übernachtung im Aufenthaltsraum ohne Dusche zahlen wir 50 Euro – pro Person und zuzüglich Kurtaxe. Das Frühstück war lecker, aber im Preisschock packen ich noch die letzte Scheibe Käse ein, denn heute gibt es keine Einkehrmöglichkeiten entlang des Weges.

Wir packen zügig unsere Sachen und starten zum Obernberg-See, wo wir einen kurzen Stopp an der Seekapelle machen. Für den weiteren Weg müssen wir uns zwischen zwei Varianten entscheiden – das Portjoch hat einen sehr steilen Abstieg, das Sandjoch dafür einige Kilometer mehr. Wir wählen schließlich das Sandjoch.

Der Weg führt sehr angenehm bergauf, es geht wieder durch zauberhaft blühende Wiesen dem grünen Berg entgegen. Wir haben wieder Glück mit dem Wetter, fast bis zum Joch scheint die Sonne. Oben angekommen passieren wir die Staatsgrenze und werden von kühlem Wind in Süd Tirol willkommen geheißen.

Zu Mittag ziehen Regenwolken auf, aber ein Schutt bleibt zum Glück aus. Ich esse meinen Käse mit Brötchen und falle danach in ein tiefes Mittagsloch, in welchem ich dann den ganzen Abstieg, der ebenfalls vergleichsweise sanft verläuft, bewältige. Christiane hält mich tapfer bei Laune.

Das Sandjoch auf 2165 m

Nach 20 Kilometern erreichen wir Ast, von hier fährt der Bus die letzten vier Kilometer rein ins Pflerschtal bis nach St. Anton. Ich votiere für den Bus, Christiane würde lieber laufen und verspricht mir ein Radler, wenn ich mitkomme. Ich willige ein.

Ein paar hundert Meter weiter kommen wir an einem Hof vorbei, an dem es einen kleinen Brunnen gibt. Ich frage, ob ich dort meine Flasche auffüllen könnte, denn mein Wasservorrat ist nahezu erschöpft. Gerne, sagt der Mann im Garten, sie hätten aber auch Radler. Wir können es beide kaum glauben, dass so plötzlich ein Kaltgetränk vom Himmel fällt. Wir setzen uns in den Garten, in dem schon zwei Rucksäcke liegen. Zwei Männer, der Große und der Kleine, seien auch auf dem Romediusweg unterwegs. Wir vermuten, dass wir die beiden auch schon in zwei anderen Unterkünften getroffen haben.

Christiane grinst über ihre wundersame Wasser-zu-Radler-Verwandlung und wir tanken in der Sonne nochmal Kraft.

Als wir aufbrechen, kommen die beiden anderen Pilger vom Spaziergang zurück, sie übernachten heute auf dem Hof. Wir scherzen mit einander, als würden wir uns schon lange kennen – eine schöne Pilgerbegegnung. Die beiden sind über das Portjoch gelaufen, es sei ein extrem abenteuerlicher Abstieg gewesen. Wir sind froh, den längeren Weg genommen zu haben und verabschieden uns – da wir einen Tag pausieren, werden wir uns wahrscheinlich nicht wiedersehen.

Das Wunder-Radler wirkt nun wahre Wunder in den Beinen – es geht jetzt erstaunlich flott und gut gelaunt die letzte Stunde weiter Richtung St. Anton. Die angesagten Gewitterwolken ziehen vor uns auf, aber der Regen wartet noch, bis wir die letzten Meter bis zum Haus Alpögger geschafft haben.

Hier werden wir nun zwei Nächte bleiben und uns für morgen einen Pausentag gönnen. Den haben wir uns nach fast 25 Kilometern heute auch wirklich verdient.

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