Endlich Popcorn in der Oper

Nach reiflicher Überlegung hatte ich mich letzte Woche entschieden, mir am Samstag die Live-Übertragung von La Cenerentola aus der MET im Kino anzuschauen. Und stellte mir ernsthaft die Frage, ob ich da nun Popcorn in der Oper essen könnte. Ob des horrenden Eintrittspreises von 29 € fand ich leider keine Begleitung für den Abend und beschloss, auf das ebenfalls überteuerte Popcorn zu verzichten.

Doch was erwartet einen, wenn man Oper im Kino schaut? Trifft man dort auf die gleichen Menschen, die sich sonst auf der anderen Seite des Berliner Platzes versammeln, wo man alles live, in Farbe und 3D sehen kann?

Kurzum: Ja. Der Kino-Saal war bis auf die vordersten zwei Reihen mit der Grauhelm-Brigade besetzt. Im Foyer befanden sich eine gülden-rote Absperrung, dahinter Stehtische mit elegant-weißem Verhüterli und Kino-Bedienstete, die den Willkommenssekt reichten und die Mäntel an der Garderobe entgegennahmen. An der Theke konnte man weiteren Sekt erwerben sowie den Lachssnack für die Pause ordern.

Auf den Stehtischen lagen zum freien Verzehr kleine Schokoladentäfelchen, mit denen ich mich für die Zeit bis zur Pause ausstattete, sowie Einkaufswagen-Chips mit Kinopolis-Aufdruck. Letztere fanden bei den Herr- und Damenschaften allerdings keine große Beachtung, schließlich war es kein MET-Aufdruck. Da ich ständig Einkaufwagenchips in Theaterspinden verliere, überlegte ich kurz, wie viele mir bei dem Eintrittspreis wohl zustünden und nahm eine Hand voll mit.

Im Saal traf ich dann noch eine Bekannte und wir nahmen in der zweiten Reihe Platz – das Pech der Spätbucher, eher suboptimal. Optimal hingegen die Subtitle, denn für die theaterüblichen Übertitel hätte es einer dauerhaften Nackenüberstreckung bedurft (für die echte MET-Erfahrung wäre natürlich die Anzeige in der vorderen Sitzlehne nötig gewesen).

Über die Großartigkeit der Besetzung braucht es nicht viele Worte zu verlieren – Joyce DiDonato und Juan Diego Flórez in den Titelrollen, ein traumhaft schönes Märchen. Mir brach es das Herz, als Aschenputtel ihren Vater anbettelte, für einen Stunde zum Ball des Prinzen kommen zu dürfen, doch im Rest des Kinosaals regte sich – nichts.

Irgendwann war man zwangsläufig vor die Frage gestellt – applaudiert man im Kino? Gelungene Aktionen bei Fußball-Übertragungen werden ja auch emotional beklatscht. Wir entschieden uns also für Zwischenapplaus und Brava-Rufe, doch im Rest des Kinosaals regte sich – nichts.

Am Ende der Vorstellung drehten wir uns um und meine Bekannte sagte, die sähen alle aus, als hätten sie einen Horror-Film gesehen, und das war wahrlich keine Übertreibung. Wie La Cenerentola einen so kalt lassen kann, verstehe ich ehrlich gesagt nicht, aber das ist ja ein generelles Problem dieser Kunstform: Das ist gefälligst ernste Musik.

Leider wurde diese Musik einer ihrer Zauber beraubt: Der Unterschied zwischen Piano und Forte. In der gesamten Übertragung wurde die Lautstärke nachgesteuert, das große Non più mesta Finale gab es bei nahezu gleichbleibenden (und dazu noch wenigen!!!) Dezibel. Damit ist „live“ für mich eigentlich dahin.

Fazit: Das nächste Mal werden wieder 60 € ausgegeben und dafür gibt es Joyce DiDonato live. Und vielleicht singt sie Non più mesta dann wieder als Zugabe. Mit piano und forte. Und in 3D.

The cast of La Cenerentola at the METtropolitan Opera (Photo: Lawrence Brownlee via Joyce DiDonato)
The cast of La Cenerentola at the METtropolitan Opera (Photo: Lawrence Brownlee via Joyce DiDonato)

Leave a comment