Läuft – Cammino #16

Der Abend im Eremo ist sehr entspannt und gemütlich. Unsere Gastgeber sind zwei ältere Menschen, die die Unterkunft über eine Pilgerorganisation betreiben. Um 18 Uhr gibt es in der Kirche immer ein Fußwaschungsritual. Die Intension des Rituals ist berührend, sofern man die nur auf italienisch verfügbare Erläuterungen versteht. Die Aufnahme der Pilger soll im Geiste Jesu geschehen, der uns zum Dienst an den anderen aufgerufen hat. Den Pilgern werden die Füße gewaschen, als Zeichen, dass Jesus selbst in ihnen wirke, sie werden herzlich aufgenommen und für ihren weiteren Weg auf dem Cammino gesegnet. Leider geht das ganze sehr schnell und ist auch schon wieder vorbei, bevor man wirklich verstanden hat, was da eigentlich passiert.

Zum Abendessen gibt es ein leckeres Pilger-Menü inklusive eines Pilgerkuchens. Das mit dem Essen ist in Italien wirklich eine feine Sache. Wir sind sieben Pilger an diesem Abend und verbringen noch eine schöne Zeit, bevor es früh schlafen geht.

Am nächsten Morgen steht bereits die vorletzte Etappe an, das erscheint mir immer noch sehr unwirklich. Gerade scheinen mein Körper und mein Kopf so richtig auf dem Cammino angekommen zu sein. 24 Kilometer liegen vor uns, kein Problem. Die Füße sehen fast wieder aus wie vor dem Start, der Rucksack ist ein enger Begleiter geworden, in dem meistens genug Essen für die Mittagspause drin ist. Und ich freue mich auf das Laufen.

Eremo San Pietro in Vigneto

Nachdem wir einige Tage auf Asphalt und Schotter hinter uns haben, geht es heute wieder über schöne Wanderwege durch Umbrien. Die Landschaft ist abermals umwerfend, weite Blicke über die Täler, die mich immer wieder innehalten und durchatmen lassen. Es geht ein bisschen matschig bergab und bergauf, aber es ist ein wunderbarer Weg, der demütig und glücklich macht.

Nicht mal die letzten Kilometer nach Valfabbrica ziehen sich heute. Und das, obwohl wir vier Kilometer vor dem Ziel in einen plötzlichen, heftigen Regenschauer geraten. Wir schaffen es gerade noch, die Ponchos überzuziehen, darunter bleibe ich in kurzer Hose und T-Shirt. Das Wasser läuft mir leider ziemlich schnell in die Schuhe. Wir wollen uns in einer kleinen Kirche unterstellen, sie ist aber leider verschlossen. Da wäre so eine offene Kirchentür echt mal ein Segen gewesen. Aber es gibt zumindest ein rettendes Dach. Es dauert nicht lange, da ist der Schauer wieder vorbei gezogen, der Himmel reißt auf und uns scheint die Sonne ins Gesicht – ein großartiges Erlebnis. Ich fühle mich zwar, als hätte ich einen Wassereimer am Fuß, aber wir schaffen es gut bis in die Stadt.

Zur Belohnung gibt es das luxuriöseste 2-Sterne-Hotelzimmer, das wir je hatten – mit Balkon und warme Heizung – beste Ausstattung für die daily pilgrim routine: Wäsche waschen und sie hoffentlich trocken kriegen.

Auf dem Cammino scheint es immer wieder leicht, die Zeichen wahrzunehmen, sich führen zu lassen, ein Auge für die ganzen kleinen Wunder am Tag zu haben. Die Probleme sind sehr basic – Hunger, nass, kalt, müde, riecht nicht gut. Da scheinen auch einfache Lösungen auf einmal sehr groß. Ich hoffe, davon lässt sich auch etwas für die oft komplexen Probleme zuhause mitnehmen, die manchmal vielleicht auch schon mit einem ganz kleinen Wunder gemildert werden können.

2 thoughts on “Läuft – Cammino #16

Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Twitter picture

You are commenting using your Twitter account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s